Spuren, die du im Leben hinterlässt, sind das Ausgangsmaterial für die Geschichten, die über dich erzählt werden. Was dabei erzählt wird, bestimmst du selbst.
Die Geschichte von zwei Fischern, die vergiftet und in einem Rettungsboot auf dem offenen Meer ausgesetzt wurden
Jens, Peter und Stefan gehen gemeinsam den Strand entlang, der Rest der Männergruppe liegt noch weiter hinten. Die Nacht war sehr stürmisch gewesen und noch immer bläst der Wind kräftig aus Westen. Das Meer ist aufgepeitscht und der Sand fegt in faszinierenden Formen über den Strand. Die Herbstsonne am Himmel taucht die ganze Szenerie in ein goldgelbes warmes Licht. Die drei Männer werden wieder zu Jungs, wie sie so am Strand entlanggehen und das angespülte Strandgut begutachten.
Überall lässt sich Treibholz in unterschiedlichen Größen finden. Die Ränder schön geglättet, ließe sich aus vielen der Hölzer mit etwas Geschick sicher etwas Brauchbares herstellen.
Ab und an findet sich eine Europalette im Sand. Sicher bei den hohen Wellen über Bord gegangen, vielleicht aber auch bewusst stumpf von der Besatzung „entsorgt“?
Stefan findet an einer Stelle einen linken gelben Gummistiefel in Größe 43. „Schaut mal hier!“ ruft er den anderen zu und hält sein Fundstück in die Luft. „Braucht den jemand von euch? Vielleicht finden wir den rechten ja auch noch…“. „Wie der Mann wohl jetzt auf dem Deck des Schiffes umherhüpft mit nur noch dem rechten Stiefel an seinem Fuß…“ überlegt Jens laut. Dabei hüpft er demonstrativ auf seinem rechten Bein im Kreis. Die anderen beiden Männer lachen. Etwas weiter hinten stoßen sie auf einen Arbeitshandschuh und einen gelben Bauhelm, der noch intakt ist. Peter setzt den Helm auf, sieht komisch aus mit seiner dicken Wollmütze darunter.
Mittlerweile haben auch die anderen 5 Männer der Gruppe zu den Dreien aufgeschlossen. Diesmal ist es Luke, der im Sand einen Sicherheitsschuh findet. Und direkt daneben liegt ein weißer 5-Liter-Kanister, dessen Aufkleber man nicht mehr lesen kann. Nur noch das orangefarbene Warnzeichen mit dem Totenkopf ist sichtbar. Als sie ein paar Meter weiter kleine Überreste eines augenscheinlichen Rettungsbootes und zwei Fischkisten aus Plastik halb im Sand eingespült entdecken nimmt die Fantasie der Männer ihren Lauf.
Während die Gruppe so weiter am Strand entlangspaziert und neben einem Kunststofffußball einen weiteren Helm, noch einen Handschuh und auch mehrere Bootspfänder findet, entwickelt sich daraus die Geschichte zweier Fischer, die mit ihrem Rettungsboot gekentert sind und sicher noch irgendwo im Meer treiben. Ob sie vergiftet wurden, oder sich selbst vergiftet haben? Oder ob der Kanister nur zufällig daneben lag…
Du hinterlässt spuren – ob bewusst oder unbewusst
In unserem Leben ist es genauso wie mit dem Strandgut im Sand nach einer Sturmnacht. Wo wir auftreten hinterlassen wir Spuren, bewusst oder unbewusst. In der Familie, im Freundeskreis, bei Kollegen auf der Arbeit, im Sportverein, in der Nachbarschaft und sogar beim Einkaufen im Supermarkt. Wir kreuzen irgendwo auf, machen uns irgendwann wieder vom Acker – und haben Spuren hinterlassen.
Darüber hast du noch nie bewusst nachgedacht? Dann geht es dir vermutlich wie den meisten Menschen. Wir betreiben einen enormen Aufwand, unsere Spuren im Internet zu verwischen, oder gar nicht entstehen zu lassen. In unseren alltäglichen Beziehungen sind wir uns nicht einmal im Klaren darüber, dass wir dort auch Spuren hinterlassen. Merkwürdig, findest du nicht?
Das fängt unter Umständen schon morgens an, noch bevor der Tag so richtig in Fahrt gekommen ist. Du sitzt am Frühstückstisch, noch etwas verschlafen. In der einen Hand das Smartphone mit der aktuellen Tageszeitung, in der anderen einen Becher dampfenden Kaffee. Die Küchentür fliegt mit einem Schwung auf und schon posaunt dein Sohn „Papa, ich brauche noch 5,20€ für die Schule!“ in den Raum und schmeißt gleichzeitig seinen Rucksack laut auf den Boden. „Ruhe, ich lese!“, antwortest du genervt, „und im Übrigen sagt man erstmal ‚guten Morgen‘!“.
Im Büro ist wieder mal Hektik angesagt. Dennoch gehst du freudestrahlend zu deinem Schreibtisch und grüßt alle Kolleginnen und Kollegen freundlich. Mit Herrn Meyer hältst du ein kurzes Schwätzchen, ehe du hinter deinem eigenen Schreibtisch verschwindest. Das Projekttreffen am Nachmittag bereicherst du durch deine Expertise. Nur, als es wieder mal eine halbe Stunde länger dauert, wirst du gereizt und unterbrichst genervt jedes nicht inhaltliche Gespräch.
Die grummelige Reaktion gegenüber deinem Sohn morgens, dein freundliches Auftreten im Büro, die kompetenten Ratschläge in der Sitzung oder die gereizten „Halt doch endlich mal die Klappe“-Ausdrücke auf deinem Gesicht – sie alle sind Spuren, die du hinterlässt. Bewusst oder unbewusst.
Wie andere diese Spuren deuten, kannst du nicht beeinflussen
Und genau darin liegt das große Problem: du weißt nie, was aus diesen Spuren wird. Wie sie gedeutet werden. Welche Geschichte daraus über dich entwickelt und erzählt wird.
Wie lautet die Geschichte, die dein Sohn in der Schule über dich erzählt? Bist du darin der Vater, auf den er stolz ist? Derjenige, auf den er sich verlassen kann, weil du selbst bei unnötigen ‚Ich-brauch-noch-mal-eben-Aktionen‘ die Ruhe behältst und freundlich bist? Oder wird daraus eher die Geschichte vom Vater, der sowieso immer schlecht gelaunt ist und dem man am besten nicht mit kurzfristigen ‚Scheiße-ich-hab-was-vergessen-kannst-du-mir-aus-der-Patsche-helfen-Situationen‘ kommt?
Wird im Büro die Geschichte des immer freundlichen Kollegen erzählt, der auch mal Zeit für spontanen Smalltalk oder auch ernste Anliegen hat? Oder die Geschichte vom leicht reizbaren spießigen Mitarbeiter? Ist es eine Geschichte vom wichtigen kompetenten Berater oder von der Spaßbremse, die jedes Meeting trockener als den Staub auf dem Projektor unter der Decke macht?
Es ist wie mit dem gefundenen Strandgut. Menschen lieben nun mal Geschichten und ihre Fantasie braucht nur wenige Anreize, um zu erzählenswerten Stories zu kommen. Aber so wenig die Besatzung des Schiffes, deren Sicherheitshelme über Bord gegangen sind, weiß, was jemand über sie erzählt, genauso wenig weißt du darüber, was man aus dem Rohmaterial macht, das du täglich im Alltag lieferst.
Es liegt an dir, wie gut das Material für die Geschichten ist
„Darüber habe ich noch nie so nachgedacht.“ denkst du? Und jetzt läuft dein Kopfkino auf Hochtouren mit lauter unschönen Szenen vor deinem inneren Auge? Dann kannst du erst einmal ganz beruhigt sein: Geschichten lassen sich umschreiben. Bücher erscheinen oft in mehreren Auflagen und mit jeder Auflage verändern Autoren den Inhalt. Es ist also noch nichts verloren.
Wenn du aber willst, dass Menschen gute Geschichten über dich erzählen, dann musst du dir klar darüber sein, dass nur du derjenige bist, der auch das entsprechende Material liefern kann. Das ist so einfach wie 1 + 1 = 2 zu rechnen: guter Stoff = gute Geschichte, schlechter Stoff = schlechte Geschichte. Ganz einfacher Zusammenhang.
Sicher, es gibt vielleicht auch Menschen, die dir eher feindselig gesonnen sind. Die es verstehen, selbst aus gutem Rohmaterial ein schlechtes Drehbuch zu schreiben. Das liegt allerdings ebenso wenig unter deiner Kontrolle und ist nicht deine Verantwortung. Du kannst nicht beeinflussen, wie andere ihre Geschichte über dich zusammenbasteln und welche Absichten sie dahinter verfolgen. Diese Sorge lassen wir daher am besten gleich links liegen. Kümmern wir uns lieber darum, wie du ganz einfach gutes Material für gute Geschichten lieferst.
Wie du ganz einfach das Drehbuch für deine Geschichten lieferst – und dich dann getrost aus dem Staub machen kannst
Weil Menschen es lieben, sich Geschichten zu erzählen, sammeln sie sich das Material aus dem, was sie finden. Angeregt durch ihre Fantasie kreieren sie daraus irgendetwas – lustiges, ernstes, nachdenkliches, romantisches, kriminalistisches…
Wie kannst du für gute Geschichten über dich sorgen? Du brauchst nur 3 (ja, richtig gelesen, nur 3!) Dinge beachten und in deinem Leben umsetzen. Hier sind sie:
- Mache dir bewusst, dass du Spuren hinterlässt, die Menschen zu Geschichten zusammenbasteln. Am besten in jeder Situation, in der du mit Menschen zusammen bist. Wenn dir das wirklich klar ist, ist der schwierigste Teil schon abgehakt.
- Lebe so, dass deine Spuren positive Eindrücke bei deinen Mitmenschen hinterlassen. Sei der freundliche Kollege. Der aufmerksame Vater. Der nette Kunde, der an der Kasse immer für einen netten Scherz zu haben ist. Der Ehemann, der seine Frau auch ohne Worte versteht. Klar – wir alle haben Tage, an denen es nicht gut läuft. Aber lass solche Tage die Ausnahme von der Regel sein. Das ist mühsam und erfordert Disziplin? Ja, stimmt. Niemand behauptet, dass Geschichten schreiben einfach ist…
- Sei selbstkritisch gegenüber dir selbst, reflektiere dein Verhalten regelmäßig. Oft sogar. Am besten täglich. Du nimmst das Lächeln deines Kollegen wahr, als du ins Büro kommst? Glaub mir, in seiner Geschichte bist du derjenige, der immer für eine angenehme Atmosphäre im Büro sorgt. Der auch bei Regenwetter die Sonne scheinen lässt. Den Kaffee hast du bereits fertig, als deine Frau die Küche betritt? Sicher kann sie gegenüber ihren Freundinnen auch noch andere Geschichten erzählen, wie du dich so liebevoll um ihre Bedürfnisse kümmerst und scheinbar Gedanken lesen kannst. Du unterbrichst wie selbstverständlich deine Lektüre der Tageszeitung und hast ein Ohr für deinen Sohn? Bestimmt hast du in den Vater-Sohn-Geschichten auf dem Schulhof einen Platz als Held, der immer da ist und für alles eine Lösung weiß.
Jetzt liegt es an dir, die Geschichten, die andere über dich erzählen, auf Bestsellerniveau zu bringen. Liefere du das spitzenmäßige Material. Lebe bewusst. Hinterlasse positive Spuren und begegne dir selbst gegenüber regelmäßig mit einer kritischen Haltung. Dann können die Geschichten nur Top werden. Versprochen!