Erntedank: Was ursprünglich einmal ein fester Tag im Kalender war, ist in unserer modernen Zeit kaum mehr bekannt – und noch weniger relevant. Die großen Kirchen feiern den Tag immer am ersten Sonntag im Oktober, aber selbst im christlichen Kontext außerhalb von Kirche hat das Fest an Bedeutung verloren oder sie nie gehabt.

Angesichts des allgemeinen Trends, dass Kirche und Glauben „altbacken“ und im Alltag längst überholt sind, hat sich auch die Dankbarkeit für eine gute Ernte verlagert zum Genuss von reichlich Hopfen. Und wieso überhaupt Dankbarkeit? Wem gegenüber? Und wofür? Die Mehrheit von uns ist ja gar nicht mehr mit den Kreisläufen von Saat, Wachstum, Ernte und der Abhängigkeit von Wetterbedingungen vertraut. Schließlich bieten unsere Einkaufszentren alles fertig vorbereitet zu jeder Jahreszeit fast uneingeschränkt.

Dass wir damit zu einer Minderheit gehören und uns dessen nicht einmal bewusst sind, ist das Eine. Der abhandengekommene Respekt gegenüber der Natur und das Vergessen der in ihr stattfindenden Kreisläufe das Andere.

Das Gott-Problem

Wie schon bei den anderen kalendarischen Gedenk- und Feiertagen auch geht der Ursprung vom Erntedank zurück in alte Zeiten. Seit Jahrtausenden feiern Menschen im Jahreskreislauf die Ernte, die immerhin ihre Lebensgrundlage bildet. Und nicht nur feiern sie die Ernte, sondern zollen demjenigen Respekt, der als Ursprung und Geber guter Ernten gilt: Gott, dem Schöpfer der Natur. Den viele von uns aber aus ihrem Leben kategorisch ausgeschlossen haben.

Vielleicht ist das ja auch ein, wenn nicht gar der, Grund für viele unserer Probleme heute? Gott? Gibt’s nicht! Damit fällt auch die Idee von einer geschaffenen Natur und nur die Theorie von der zufälligen Entstehung bleibt bestehen. Klar, dass dann auch der Respekt abhandenkommt und die Umwelt zu einem Selbstbedienungsladen verkommt, den wir ohne Grenzen ausbeuten und zerstören können.

Wie wäre es, wenn wir wieder mehr Respekt entwickeln würden? Ich bin überzeugt davon, dass uns das angesichts der aktuellen weltweiten Situation gut zu Gesicht stehen würde. Respekt gegenüber Menschen, gegenüber der Natur, die ich gerne als Schöpfung bezeichne, und gegenüber Gott, der für mich Ursprung von allem ist.

Respekt gegenüber Menschen

Es gibt einen ganz einfachen Zusammenhang: Damit ich leben kann, braucht es andernorts Menschen, die sich für die Produktion von Obst, Gemüse, Getreide, Fisch, Fleisch, Milch und so weiter einsetzen. Die ihre Hände schmutzig machen, die früh aufstehen und spät schlafen gehen, die keine geregelten Wochenenden haben. Vielleicht haben einige von uns noch Kontakt zu Bauern, aber spätestens bei Alltagsprodukten wie Kaffee, Kakao, Tee, Zucker oder Bananen hört das auf.

Respekt gegenüber Menschen beginnt für mich damit, dass ich mir beim Kauf von Lebensmitteln zumindest bewusstmache, dass andere dafür hart gearbeitet haben. Gerne kaufe ich auch regionale Produkte. Und insbesondere bei Kaffee und Schokolade steht fair bei mir ganz oben auf der Liste, weil ich das Leben und die Würde der Menschen weit außerhalb meiner Heimat ebenso respektieren möchte.

Respekt gegenüber der Schöpfung

Was viele angesichts prall gefüllter Supermarktregale nicht mitbekommen: Zerstörung geschieht auch vor unserer eigenen Haustür. Industriell hergestelltes Billigfleisch gilt als eine der Hauptursachen für unsere Klimaveränderungen. Teile der dafür notwendigen Futtermittel produzieren wir in großflächigen Monokulturen unter Einsatz von Herbiziden und Pestiziden. Dadurch sind die Böden ausgelaugt, nahezu tot und Insekten Mangelware. Immer mehr eingesetzter Kunstdünger und die Überflutung der Böden mit Viehdung belasten das Grundwasser.

Was hier nicht mehr wächst oder durch Wetter zerstört wird, kaufen wir über weltweite Lieferketten halt dazu. Können wir uns ja (noch) leisten. Und dadurch entsteht das Gefühl: Alles ist immer im Überfluss da. Fertig abgepackt, sauber geputzt, hübsch ausgelegt. Wer denkt angesichts dessen im September noch daran, dass Äcker und Ernten im Juni oder Juli durch Schlechtwetter in Form von Trockenheit oder Nässe zerstört wurden? Haben wir effektiv doch gar nicht bemerkt – unsere Kühlschränke waren und sind immer gut gefüllt.

Bewusstes Einkaufen, Produktions- und Lieferketten hinterfragen, genau hinschauen, saisonal und regional einkaufen sind für mich Ausdruck von Respekt gegenüber der Schöpfung. Persönlich achte ich auch auf biologische Produkte – was übrigens keine neue Mode, sondern überhaupt erst mit der Industrialisierung der Landwirtschaft eine Notwendigkeit geworden ist. Noch die Generation meiner Großeltern kannte den Unterschied zwischen biologischer und konventioneller Produktion gar nicht. Damals war alles Bio, also ohne Chemieeinsatz und Genmanipulation, oft sogar aus dem eigenen Garten.

Respekt gegenüber Gott

Der Zusammenhang ist für mich folgender: Zunächst einmal glaube ich, dass es einen Gott gibt und ich glaube auch, dass dieser Gott die Natur geschaffen hat. Dem Menschen wurden am Anfang seiner Existenz zwei Aufträge gegeben: Sich zu vermehren – das haben wir gut hinbekommen – und die Schöpfung durch gutes Kultivieren zu erhalten. Das mit dem Erhalten ist uns offensichtlich nicht ganz so gut geglückt.

Erntedank ist der bewusste Fokus darauf, dass unsere Nahrung Früchte der Natur, der Schöpfung, sind und dass deren Wachstum keineswegs selbstverständlich ist. In der Bibel wird gesagt, dass Gott die Früchte reifen lässt und das Wachstum schenkt. An Erntedank werde ich mir dessen immer wieder bewusst, auch der Abhängigkeit von Gott, die aber liebevoll und fürsorglich ist. Und ich kann dankbar werden für das, was ich an Gutem bekomme und diesen Dank auch ausdrücken.

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