Natur ist Rhythmus. Als Mann bin ich Teil dieser Rhythmen, weil ich zuallererst eines bin: ein natürliches Lebewesen. Hat das leben in natürlichen rhythmen einfluss auf mein persönliches wohlbefinden im alltag?

Meine Entdeckung: je mehr ich mein Leben den natürlichen Rhythmen anpasse, desto ausgeglichener, entspannter und gesünder bin ich im Alltag.

Die Natur wird bestimmt durch regelmäßig wiederkehrende Takte. Der offensichtlichste und allgegenwärtige ist sicher der Rhythmus von Tag und Nacht. Auf den Tag folgt die Nacht. Auf die Nacht folgt ein neuer Tag. Helligkeit und Dunkelheit lösen sich unaufhaltsam ab – leben in natürlichen Rhythmen. In der Nähe des Äquators ist die Dauer des Tages und der Nacht nahezu gleich. Je weiter man sich nach Norden oder Süden begibt, desto abhängiger wird die Tag- und Nachtdauer von der Jahreszeit.

Womit wir beim nächsten natürlichen Rhythmus sind: die Jahreszeiten. Auf den Frühling folgt der Sommer, gefolgt vom Herbst und schließlich dem Winter. Jahr für Jahr, nicht zu verändern. Damit einher gehen die Phasen von Aussaat, Wachstum, Ernte und einer sich daran anschließenden Ruhezeit. Oder in der Tierwelt die Brut, Aufzucht und das anschließende Training der Jungtiere.

An der Küste gibt es einen weiteren ausgeglichenen Rhythmus zu beobachten: Ebbe und Flut. Insbesondere an der Nordsee mit seinem großen Wattenmeer lässt er sich gut beobachten. Das Wasser kommt, bleibt nur kurz und macht sich dann wieder auf seinen Rückzug in Richtung Meer. Bestimmt durch einen weiteren, dahinterliegenden Rhythmus:

Die Mondphasen. Rechter Halbmond, Vollmond, linker Halbmond, Neumond. Monat für Monat, Jahr für Jahr. Ausgeglichener natürlicher Rhythmus, der das Leben der Natur prägt.

Bild einer Frühlingslandschaft in der untergehenden Sonne. Die Natur ist geprägt durch Rhythmen wie Jahres- und Tageszeiten.

Was unsere natürlichen Rhythmen (zer)stört

Als Mann lebe ich in und mit diesen Rhythmen – bewusst oder unbewusst. Meistens unbewusst. Die natürliche Rhythmik ist uns so vertraut, dass wir sie gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Ausgeglichen leben durch natürliche Rhythmen? Wir haben es entweder verlernt oder gar nie gelernt. Weil die Rhythmen im Alltag gestört werden. Besonders die zwei für uns im Männeralltag ausschlaggebenden: der Rhythmus von Tag und Nacht und die Jahreszeiten.

Während früher Tag und Nacht tatsächlich das Leben bestimmt haben, ist dies durch immer weiter voranschreitende Technologisierung nahezu beliebig geworden. Ging die Sonne auf, konnte gearbeitet werden, wurde es dunkel, war Schluss. Ganz einfach. Mit der Erfindung von künstlichem Licht wurde „der Tag verlängert“ und gleichzeitig „die Nacht verkürzt“. Weitere technologische Errungenschaften sorgten für noch „längere Tage“: Fernsehen, Computer, Smartphone.

Eine permanente Erreichbarkeit prägt heute unseren Alltag. Gearbeitet wird in 60-Stunden-Wochen (oder länger), Wochenenden als Erholungszeitraum erleben viele Männer nur noch selten. Immer dabei das intelligente Telefon, mit dem kontinuierlich E-Mails und Nachrichten ausgetauscht werden können und eine persönliche Erreichbarkeit 24/7 sichergestellt ist.

Dadurch steigt nicht nur das Lebenstempo, sondern in gleichem Maße auch die Unausgewogenheit zwischen Produktivität und Ruhe. Schon lange gilt der scheinbar gesellschaftlich anerkannte Kodex: produktiv und anerkannt ist, wer ständig unter Strom steht. Ruhe wird gleichgesetzt mit Unproduktivität oder Faulheit. Gut ist, wer sich selbst komplett aufopfert, ansonsten gilt man(n) als egoistisch. Und mein Eindruck ist, dass unter Männern der durch Karrierestreben ausgelöste männliche Geltungsdruck diese Haltung verstärkt – mit fatalen Folgen.

Wie sich fehlender natürlicher Rhythmus in meinem Leben auswirkt

In der medizinischen Fachwelt herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, dass viele der heute auftretenden Krankheitsbilder Folgen unseres Lebens außerhalb natürlicher Rhythmen sind. Gemeinhin bezeichnen wir dieses Phänomen gerne als Stress. Damit drücken wir unsere persönliche Empfindung aus, dass unser Leben nicht ausgeglichen ist. Zu hohe Anforderungen bei zu wenig Kapazitäten, zu viele Termine in zu kurzer Zeit, mehr Aufgaben als wir in einer natürlich verträglichen Zeit zu bewerkstelligen imstande sind.

Das Fatale: zunächst scheint es so, dass wir damit gar keine Probleme haben. Unser Körper ist extrem belastbar und so gewinnen wir insbesondere in unseren jüngeren Jahren den Eindruck, dass wir scheinbar grenzenlos belastbar sind. Der Boomerang kommt meist erst deutlich später zurück: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bandscheibenvorfälle, Burnout, Hörstürze,…

Aber es gibt auch viele nicht-medizinische Hinweise auf ein Leben außerhalb natürlicher Rhythmen. Lebe ich zu lange unter einem zu hohen Tempo, zu viel Arbeit und insgesamt unausgeglichen zwischen Anspannung (=Arbeit) und Entspannung (=Freizeit), stelle ich bei mir schnell eine Reizbarkeit fest, besonders gegenüber den mir am nächsten stehenden Menschen: meine Frau und meinen Töchtern. Und ich fühle mich mir selbst fremd, habe den Eindruck, nicht ich selbst und fremdbestimmt zu sein.

Ein 2-Schritte-Weg zurück in den Rhythmus der Natur

Das es anders geht, musste ich lernen. Durch eigene Lebenskrisen, gesundheitliche Einschränkungen, gute Bücher, viel Selbstreflexion und nicht zuletzt einfaches ausprobieren. Dadurch habe ich den Wert vom Leben in natürlichen Rhythmen nicht nur theoretisch verstanden, sondern praktisch erlebt. Vor allem dessen positiven Einfluss auf mein Leben, auf mich als Person und auf meine Gesundheit.

Wie ich angefangen habe? Ganz einfach, indem ich erstens den Tag als Tag und die Nacht als Nacht wieder bewusst gelebt habe. Wobei mein Fokus zunächst der Nacht galt. Abends lege ich erstmal frühzeitig das Smartphone weg. Und dann nehme mir genug Zeit, herunterzufahren und den Tag mit seinen Eindrücken und Geschehnissen Revue passieren zu lassen. Lesen, Gespräche mit meiner Familie, gerne am Wochenende ein Glas Wein, auch mal einen ruhigen Film. Kurz: alles, was mir hilft, zur Ruhe zu kommen und auf Abstand zum Alltag zu kommen.

In aller Regel besteht meine Nacht aus sieben bis acht Stunden Schlaf täglich. Luxus? Nein, Notwendigkeit. Seitdem ich das praktiziere, geht es mir in der Regel echt gut und ich lebe ausgeglichen im Tag. Der sich bei mir zusammensetzt aus fokussierter Produktivität (im Job, im Ehrenamt, in der Familie) und fokussierter Selbstfürsorge (Sport, Hobbies). Und wieder gilt: Luxus? Nein, Notwendigkeit. Damit ich nicht ausbrenne und sowohl mein Körper als auch meine Psyche möglichst lange nicht die Grätsche machen. Und vor allem: damit meine Frau und meine Kinder mich nicht als Wrack, sondern als aktives, kräftiges, ausgeglichenes, gesundes und verlässliches Gegenüber und Familienmitglied erleben. Damit sie merken, dass sie in meinem Leben wirklich wertvoll und wichtig sind und nicht nur „den letzten Rest“ von mir bekommen.

Und nach dem Tag-Nacht-Rhythmus habe ich auch wieder begonnen, den Jahreszeitenwechsel bewusster in mein Leben zu integrieren. Dieses Thema wäre einen eigenen Artikel wert, aber hier einmal in aller Kürze: Der Winter ist, genau wie in der Natur, für mich eine eher ruhigere Jahreszeit als der Sommer. Lange Abende, kurze Tage, wenig einladendes Wetter, Winterschlaf der Natur. Für mich als natürliches und geschaffenes Lebewesen alles wertvolle Hinweise darauf, dass auch ich so konzipiert und bin und entsprechend leben sollte.

Ausgeglichenheit als Gradmesser für ein Leben in natürlichen Rhythmen

Männer haben die Dinge gerne klar und sichtbar. Was geht, messen wir und bringen wir in irgendeiner Form auf eine Skala oder in ein Diagramm. Die so gewonnenen Daten können wir auswerten und interpretieren.

Mein Gradmesser für ein gelingendes Leben in und mit natürlichen Rhythmen? Meine persönliche gefühlte Ausgeglichenheit auf einer Skala von eins bis zehn. Je höher der Wert, desto ausgeglichener fühle ich mich insgesamt im ganzen Alltag. Sicher, nicht immer ist bei mir alles im Rhythmus. Nicht immer ist es mir möglich, alle mir selbst auferlegten Prinzipien einzuhalten. Manchmal ist die Nacht kürzer und der Schlaf weniger. Oder die Arbeit überwiegt und meine Familie hat das Nachsehen.

Mein persönliches Problem ist am ehesten meine Tendenz, mich selber allem anderen unterzuordnen und dabei zu kurz zu kommen. Wenn dann die Welt um mich herum mal wieder „generell-blöd“ oder meine Frau Schuld daran ist, dass ICH so viel zu tun habe, dann ist ein
Blick auf meinen Gradmesser dran… Und meistens bin ich dann einmal mehr herausgefordert, mehr Fokus auf die natürlichen Rhythmen in meinen Leben zu legen.

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Mann liegt auf Wiese, Ausdruck von Ausgeglichensein durch Leben in und mit den natürlichen Rhythmen.