Das Kreuz auf einem Berggipfel symbolisiert für mich persönlichen Triumph. Sowohl auf dem Berg selbst als auch im normalen Alltag.

Oben angekommen, direkt am Kreuz, erlebe ich dieses triumphierende Gefühl: Ich hab’s geschafft! Und ich denke sofort auch daran: Jemand anderes hat’s geschafft – und fühle mich erleichtert.

Wer kennt es nicht, das Gipfelkreuz? Diese Markierung, die zeigt: du bist oben angekommen, du hast die Spitze erreicht. Mit Seil- oder Bergbahnen gut erreichbar, sind viele dieser Kreuze ein begehrtes Fotomotiv für die Urlaubserinnerungen. „Ich war dort oben.“ erzählen die Bilder dann später nüchtern.

Interessanter, persönlicher und emotional aufgeladener sind die Geschichten von Menschen, die den Berg aus eigener Kraft und Anstrengung erklimmen. Die sich das Ziel quasi selbst ‚erarbeiten‘. Dann beinhalten die Geschichten gewissermaßen auch die Schweißperlen auf der Stirn und die schmerzenden Muskeln. Begegnungen mit den Kühen auf der Alm und den leckeren Apfelkuchen an der Hütte zwischendurch werden noch einmal lebendig.

Als Familie waren wir schon öfter in den Bergen wandern. Dabei habe ich gelernt: Jede Tour auf einen Gipfel bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich – selbst der Weg zu ein und demselben Gipfelkreuz ist nicht immer gleich. Von anderen Berggipfeln ganz zu schweigen. Ein Wetterumschwung (und der kann in den Bergen blitzartig auftreten!) sorgt für veränderte Bedingungen. Die gleiche Tour zu einer anderen Tageszeit kann maximal andere Anforderungen an die eigene Leistung stellen. Oder die eigene Kondition schwankt und sorgt für ein ungleiches Wandererlebnis.

Foto von Wanderern vor einem Gipfelkreuz im Gegenlicht.

Etwas, das ich auf allen bisherigen Touren aber als gleich wahrgenommen habe, ist die dreifache Wirkung des Gipfelkreuzes auf mich: Motivation, Belohnung und Erleichterung.

Das Gipfelkreuz motiviert mich: „Bleib dran!“

Motivation – davon kann es während einer Bergwanderung eine ganze Menge brauchen! Voller Kraft und Energie stehen wir in der Kühle des Morgens am Fuße des Berges und sehen hinauf auf den Gipfel, den wir gegen Mittag erreicht haben wollen. Mehr als 1000 Höhenmeter trennen uns von unserem jetzigen Standort von der Spitze – für Menschen aus dem flachen Norden durchaus nicht wenig. Voller Elan und Tatendrang machen wir als Familie uns auf den Weg.

In den letzten Monaten haben wir gezielt an unserer Fitness gearbeitet und unser Sportprogramm noch einmal hochgefahren. Regelmäßiges joggen für ein gutes Ausdauertraining und bewusst häufiges Treppensteigen waren einfache Möglichkeiten, sich auf diese für uns ungewohnte Aktivität vorzubereiten.

Die ersten Anstiege laufen prima. Im Schatten der Bäume und bei noch angenehmen Temperaturen kommen wir gut voran. Hier und da mal eine kurze Verschnaufpause, ein kleiner Snack und etwas zu trinken halten uns gut am Laufen. Dann, am späteren Vormittag, erreichen wir an der Mittelstation der Seilbahn die Baumgrenze und machen eine ausführliche Rast auf einer grünen Bergwiese. Die letzte halbe Stunde war mit steileren Anstiegen und der immer höher steigenden Sonne anstrengend und hat uns den Schweiß auf die Stirn getrieben.

Nun sitzen wir hier im Schatten und haben einen freien Blick auf den Gipfel mit seinem Kreuz – unserem Ziel für heute. Längenmäßig haben wir die Hälfte geschafft, höhenmäßig aber weniger. Bedeutet im Klartext: Die zweite Hälfte wird steiler – bei zunehmender Sonneneinstrahlung und felsiger werdenden Wegen. Klar, wir könnten uns anders entscheiden und doch auf die Seilbahn zurückgreifen…

Foto dreier Menschen wie sie auf einer Bergwiese sitzend eine Pause machen. Ihre Blicken gehen zum Gipfel in der Ferne, den sie erreichen wollen.

Aber das Gipfelkreuz klar im Blick, merke ich, dass das keine ernsthafte Alternative ist, wir wollen es selber schaffen! Proviant stimmt, Ausstattung stimmt, Training stimmt – und ich höre in mir die leise Stimme: „Das schaffst du! Bleib dran! Die Belohnung ist dafür umso größer!“

Das Gipfelkreuz belohnt mich: „Gratulation, du hast’s geschafft!“

Wir machen uns wieder auf den Weg. Über die saftig grünen Wiesen, vorbei an kleinen Kuhherden, deren Glockengeläut uns von nun an bis auf den Gipfel begleiten wird. Unterwegs kreuzen wir immer wieder die Seilbahn, die lautlos über unsere Köpfe hinwegschwebt, während wir kämpfen. Mit der Sonne, mit den müder werdenden Muskeln, mit den steiler werdenden Anstiegen. Längst haben wir die Wiesen unter uns gelassen, die Kühe mit ihren Glocken sehen von hier oben so klein aus, ihre Glocken hören wir deutlich leiser.

Wandert der Blick nach unten ist es eine traumhafte Szene. Das ganze Wegenetz durch die bunten Blumenwiesen, die kleine Mittelstation der Seilbahn am Waldrand, weiter unten die winzig wirkenden Autos auf dem Parkplatz, unserem Startpunkt am Morgen. Der Blick nach oben verrät: Noch zwei letzte Anstiege über Geröll werden ein wenig Kletterkünste verlangen – und dann wartet der „ruhmreiche“ Weg über den kleinen Bergkamm bis hin zum Gipfel auf uns…

Foto unserer Familie vor einem Gipfelkreuz. Ausdruck von Triumph und Belohnung für die vorangegangenen Anstrengungen des Aufstiegs.

Geschafft! Eine Stunde später stehen wir neben dem Kreuz und machen unser legendäres Selfie. Glücksgefühle erfüllen uns. Der Wind hier oben ist frisch, trotz der Mittagssonne ziehen wir unsere Pullover über und setzen uns auf einen Felsbrocken mit freiem 360° Panoramablick auf die umliegende Szenerie. Atemberaubender Ausblick. Wir genießen den Erfolg und spüren, wie unsere Muskeln entspannen und die Atmung wieder ruhiger und gleichmäßig wird.

Das Gipfelkreuz erleichtert mich: „Du kannst entspannt dein Leben leben!“

Für mich steckt in dem Kreuz aber auch noch eine ganz andere Botschaft: die Botschaft von Freiheit und Erleichterung. Sicher, es mag Gründe geben, warum Profibergsteiger Reinhold Messner und sicher auch andere Menschen es sehr gerne hätte, wenn die Gipfel vom „christlichen Symbol des Kreuzes“ befreit würden. Ich dagegen freue mich darüber, dadurch bekommen meine Gipfelaufstiege eine weitere, tiefer gehende Bedeutung, als nur eine physische Herausforderung.

Wer über mich gelesen hat, weiß, dass ich mein Leben auf den Inhalten der Bibel zu leben versuche. Nein, ich bin nicht der Super-Heilige. Ich bin auch nicht der fromme Moralprediger. Aber ja: mich lässt der Glaube an Gott eine Freiheit erleben, die mich im Leben ermutigt, die mich bestärkt, die mir Orientierung und Hoffnung gibt.

Am Kreuz auf dem Gipfel erinnere ich mich wieder an den Grund für diese Freiheit. Ich glaube, dass es diesen Gott gibt, der Menschen liebt, der aber Schlechtes und Böses nicht duldet. Der Versuch, als guter Mensch zu leben – gut genug, um ‚Gott in die Augen sehen zu können‘ – würde mich immer im Unklaren lassen, wieviel denn ‚gut genug‘ ist. Das baut Druck auf, fleißig sein zu müssen. Was mich irgendwie unfrei macht und in meinem Alltag belastet.

Was mir die Sicherheit von Freiheit und damit meinem Leben Erleichterung schenkt? Der einfache Glaube daran, dass Jesus sich an so einem Kreuz einmal freiwillig hat umbringen lassen und dadurch die Begegnung von Gott und Mensch ermöglicht hat. Ich kann dir nicht erklären, warum das so ist und warum Gott sich das so überlegt hat (das kann ich nicht einmal mir selbst erklären). Muss ich, glaube ich, auch nicht. Was ich dir sagen kann ist, dass es mir ein absolutes Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit gibt.

Primitiv und altbacken? Vielleicht. Aber ich kann mit meinen Schuldgefühlen, mit dem Gefühl, nicht gut genug zu sein, umgehen und entspannt die Zukunft erwarten… Sollte alles Humbug sein, okay, dann habe ich nichts verloren und war einfach nur ein primitiver dummer Mann. Der aber trotzdem sein Leben genossen und geliebt hat… Ist die Sache mit Gott tatsächlich wahr, dann kann ich frei und gelassen mein Leben leben und entspannt die Zukunft erwarten. Ein herrliches Gefühl hier oben auf dem Berg bei bester Sicht. Ich lasse die Eindrücke auf mich wirken. Und während ich genussvoll meine Brotstulle esse gehe ich gedanklich noch einmal den Aufstieg durch…

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Foto eines Gipfelkreuzes in kurzer Entfernung vor einem Bergabhang. Im Hintergrund eine Schlechtewetterfront.
Foto von Volker Schwolow auf einem Berggipfel.