Was für Bunker in der realen Welt gilt, trifft auch auf die „Bunker“ in unserer persönlichen Biografie zu: die meisten sind massiv und hässlich. Wir müssen mit ihnen leben. Gleichzeitig entscheiden wir selbst, wie wir mit ihnen umgehen, was wir aus ihnen machen.
Historische Bunker – Zeugen vergangener Zeiten und Ereignisse
Er war sicherlich einer der größten militärisch errichteten Schutzanlagen der jüngeren Zeit: der Atlantikwall im zweiten Weltkrieg. Mehrere Tausend Bunker und Gefechtsanlagen säumten seinerzeit die gesamte Atlantikküste. Viele davon sind noch heute sichtbar, besonders an den Stränden der dänischen Nordseeküste säumen die einstigen Betonklötze die Küstenlinie.
Während einige historische Bunker noch aufrechtstehend in den Dünen erhalten sind, wurden andere durch das Zusammenspiel von Wind, Wasser und Sand immer weiter unterspült und liegen halb verborgen im Strand. Einige sind gar nicht mehr sichtbar, weggespült von den Wellen der Nordsee oder verschwunden im Sand.
Die Bunker erzählen noch heute die dunkle Geschichte von Größenwahn, Irrsinn und Kriegsverbrechen des letzten Jahrhunderts. Niemand der nachfolgenden Generationen konnte sie fortschaffen, wie auch niemand im Nachhinein die Geschichte verändern konnte. Sie erzählen von Zwangsarbeit, Enteignungen, irrsinniger Logistik. Von Kampflinien, Ängsten, Tod, sogar von Hoffnungen und Träumen – und waren sie auch noch so abartig.
Aber es gibt auch eine andere Perspektive auf diese Klötze, heute, 80 Jahre später. Das, was damals gebaut wurde, um Flugzeuge und Schiffe zu versenken, dient heute als Spielplatz für kleine abenteuerlustige Kinder, als Kletterobjekte, Fotomotive, Kunstwerke. Wenn die damaligen Planer und Erbauer wüssten, was wir heute aus diesen Bauten gemacht haben…
Historische bunker in meiner biografie
Auch in meinem Leben gibt es solche Bunker. In deinem vermutlich auch. Erlebnisse und Begebenheiten der Vergangenheit, die hässlich waren. Schmerz, Enttäuschungen, Wut. Erfahrungen, die wir gemacht haben, die uns geprägt haben und mit deren Auswirkungen wir bis heute unsre Mühen haben. Oder die uns richtig beeinflussen, negativ. Wie hässliche Betonbunker am Strand liegen oder stehen sie dort in unserer Biografie. Vielleicht sind einige von ihnen schon halb oder gar ganz im Sand verschüttet. Andere stehen noch dort, als wären sie erst gestern errichtet worden.
Was solche historischen Bunker sein können? Vielleicht Kindheitserfahrungen in deinem Elternhaus. Ein trinkender, gewalttätiger Vater beispielsweise. Oder Missbrauch. Vielleicht warst du auch immer der Versager oder derjenige, der nichts kann und auch nie etwas hinbekommen würde. In der Schule immer der Außenseiter, den keiner mochte. Wurdest im Sport beim Mannschaften wählen immer als letzte Person „gewählt“.
Geplatzte Träume, auch so’n guter Bunker. Ausbildungs- oder Studienplatz nicht bekommen. Deine Gesundheit hat dir einen Strich durch deinen Traumberuf gemacht. Deine Partnerin hat dich verlassen. Du hast einen tollen Job verloren.
Dabei gibt es Bunker im Leben, für deren Bau kann ich wirklich nichts. Und dann gibt es welche, die habe ich teilweise selber mit aufgebaut. Durch falsches Verhalten oder schlechte Entscheidungen beispielsweise. Im Ergebnis erst einmal dasselbe: sie sind hässlich und sie trüben unsere Biografie.
meinen historischen bunkern konstruktiv künstlerisch begegnen
Gemeinhin heißt es bekanntlich „Zeit heilt alle Wunden“ – übertragen also: „Zeit lässt alle Bunker verschwinden“. Ja, Zeit macht einen Unterschied. Wenn Wind, Wasser und Sand nur lange genug zusammenwirken, können sie Bunker tatsächlich verschwinden lassen. Zumindest oberflächlich. Dann sehen wir sie nicht mehr. Aber sie sind dennoch nicht weg. Und außerdem braucht es sehr viel Zeit, um solche Bunker verschwinden zu lassen.
Ich mag die Art, wie die Dänen mit den Bunkern umgehen. Einige sind zu Museen und Mahnmalen geworden. Andere sind reine Kunstwerke. Kann ich nicht aus dem Weg räumen? Okay, dann nutze ich es eben. Gefällt mir, auch für meine eigene Biografie.
Allerdings gehört zur ganzen Wahrheit an Dänemarks Stränden auch: nicht alle Bunker sind tolle Kunstwerke. Einige rotten vor sich hin, sind nach wie vor nichts als grauer Beton im Sand. Oder mit eher einfallslosen Graffitis „verziert“. Auch das gehört zu meiner Biografie: zu akzeptieren, dass sich nicht aus allem ein Kunstwerk machen lässt.
Dreiklang als Lebenspraxis: Bunker sehen, akzeptieren, nutzen
Was heißt das nun alles konkret? Zunächst einmal muss ich Bunker in meiner Vergangenheit als solche SEHEN. Muss mich also mit meiner Historie, mit meinen Erlebnissen, meinen Erfahrungen, mit all dem, was mir widerfahren ist, zutiefst auseinandersetzen. Das erfordert Mut und braucht Zeit.
Wie ich auf solche Bunker stoße? Indem ich im Heute Verhaltensmuster feststelle, die ich nicht möchte, die mich hindern, lähmen. Kurz: die ich als nicht gut empfinde. Dann gehe ich gedanklich zurück und überlege, wo diese Muster herkommen. Suche, ob es dafür konkrete Auslöser gibt. Vielleicht ein Ereignis. Oder Regelwerke, denen ich ausgesetzt war. Erziehungsstilen im Elternhaus beispielsweise. Oder in der Schule. Im Verein. In der Kirche.
Treffe ich in der Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit auf eben solche negativen Erfahrungen, Muster oder konkrete Erlebnisse, dann mache ich aus ihnen gedanklich historische Bunker. Das macht sie für mich greifbar, konkret. Ich „gebe ihnen eine Gestalt“, mit der ich umgehen kann. Dadurch AKZEPTIERE ich sie als unschöne, hässliche, mächtige Bauwerke, die ich nicht mal „so eben“ beiseiteschaffen kann. Für einige brauche ich vielleicht sogar professionelle Hilfe und Unterstützung.
Und dann kommt der konstruktive Teil: ich NUTZE meine Bunker. Das ist ein zutiefst kreativer, schöpferischer Prozess. Ich muss – oder besser: darf – mir überlegen, was ich mit diesen Bunkern machen will. Nochmal zur Erinnerung: beiseiteschaffen geht nicht. Jemand anderes hat diese Bunker auf deinem Strand gebaut. Sie sind da, massiv, unkaputtbar.
Aber du kannst sie gestalten: als schönes Kunstwerk, dass der grauen Hässlichkeit eine bunte Farbe und schöne Gemälde verleiht, die du dir gerne ansiehst. Aus einem anderen machst du in Gedanken vielleicht ein Museum und Mahnmal, in das du von zu Zeit zu Zeit „hineingehen“ und dich an das Frühere erinnern kannst, um dich in Ruhe damit auseinanderzuzsetzen. Und wieder andere lässt du vielleicht auch einfach so, wie sie sind, am Strand liegen und nutzt sie zum Klettern oder einfach darauf sitzen. Damit gewinnst du aber die „Macht“ über sie und nicht umgekehrt, wie es bisher der Fall war.
Bonus: mein persönlicher glaube als kraftquelle
Persönlich habe ich im Umgang mit historischen Bunkern in meinem Leben noch eine zusätzliche Hilfe und Kraftquelle: meinen Glauben. Viele verbinden damit ja nicht mehr als muffige weltfremde Kirche und längst überholte Theorien. Aber ich mache immer wieder die Erfahrungen, dass ich im Leben mit all seinen Herausforderungen nicht alleine bin. Ich habe in Gott jemanden als Gegenüber, der sich für mich interessiert. Mit dem ich die Bunker gemeinsam angehen kann.
Alles nur altbackene Gefühlsduselei? Opium für die Seele? Vielleicht, aber dann zumindest eine sehr hilfreiche, befreiende und kraftgebende!
In diesem Sinne: An die Bunker – Fertig – Los!!!