Dort steht er, der Mann, schon seit einer halben Stunde.
Sein Blick auf den Horizont gerichtet.
Er scheint ganz bei sich selbst zu sein
und seiner Verbindung zum Meer
mit allen Sinnen nachzuspüren.
Das Meer –
starker Kontrast zu der Welt,
in der er sonst viel Zeit verbringt:
dem Büro.
Dort ist sein Leben bestimmt durch
Termine, E-Mails, Smartphone, Meetings.
Eine Welt aus wechselnden Kombinationen digitaler Einsen und Nullen.
Einzig der Blick aus dem Fenster lässt ihn zumindest erahnen,
dass es außerhalb dieser Bauten
aus Glas, Stahl und Beton
noch eine andere Welt gibt.
Eine, die ihm mehr entspricht –
für die er eigentlich gemacht ist.
Ganz anders am Meer.
Hier bestimmt die Natur das Sein.
In ihrem eigenen Rhythmus.
Auf ihre eigene Art.
Unaufhaltbar.
Unaufhörlich.
Unsichtbaren Regeln und Gesetzen folgend.
Schon von weitem konnte er das Meer hören,
ohne es dabei zu sehen.
Sein Rauschen,
wenn die Wellen brechen
und die weißen Kämme aus Schaum erzeugen,
lagen in der Luft.
Der Wind,
diese mächtige, unsichtbare Energie,
trieb den Klang des Meeres
weit über das Land.
Und mit dem Wind
wurde auch der Geruch des Meeres transportiert.
Eine Mischung aus Salz und würzigem Duft nach Algen und Seetang.
Fast zart legte er sich in seine Nase
und die aromatische Luft füllte die Lungen.
Intuitiv atmete er ganz tief ein und wieder aus.
Es war, als würde sein Inneres, seine Seele, aufatmen.
Automatisch wurde die Atmung ruhiger
und die Atemzüge länger.
Sein Puls verlangsamte sich.
Barfuß folgte er dem Weg durch die Dünen.
Ein schönes Gefühl, dieser direkte Kontakt mit der Natur.
Zuerst der lockere Sand der mit Strandgras bewachsenen Hügel.
Dann der festere Sand des Strandes,
weiter unten mehr und mehr mit Muschelschalen durchsetzt.
Wie lange hatte er dieses Gefühl nicht mehr gehabt:
bewusst in direktem Kontakt mit der Welt zu stehen,
die ihn umgibt.
Er spürte den Sand zwischen den Zehen
und die Temperatur des Sandes an seiner Fußsohle.
Während der Boden oben in den Dünen noch warm war,
ist er hier, wo er jetzt steht, durch die auslaufenden Wellen nasskalt.
Das Gefühl vom weglaufenden Sand an den Füßen,
bei jeder Welle, die wieder in Richtung Meer abläuft,
war zunächst irritierend.
Es brauchte eine Weile, bis er sich daran gewöhnt hatte.
Sogar schmecken kann er das Meer.
Seine Hände, die Arme, die Lippen,
alles schmeckt leicht nach Salz und Tang.
So steht er jetzt dort,
wo die Wellen anrollen,
sein Blick auf das Meer und den Horizont gerichtet.
Eingetaucht in die gesamte Szene,
eins mit sich selbst
und der Natur um ihn herum.
Vor ihm die in der untergehenden Sonne glitzernde Wasseroberfläche
mit ihren weißen Wellenkämmen.
Während das Wasser an einigen Stellen noch in tiefem Blau erscheint, verfärbt es sich an anderen Stellen schon
in ein leichtes Orange-Rot und violette Pastelltöne.
Der Himmel verändert seine Farben ebenfalls
in ein leuchtendes Orange,
die Sonne sinkt kontinuierlich
und verschwindet immer mehr hinter dem Horizont.
Wenn er im Büro sitzt,
spürt er beim Blick aus dem Fenster in die Wolken
manchmal eine Sehnsucht in ihm aufsteigen.
Er weiß gar nicht genau, wonach.
Jetzt, hier am Meer,
fühlt er sich dieser Sehnsucht
endlich nahegekommen.
Es ist die Sehnsucht
nach der realen Begegnung
mit dem Natürlichen.
Die Sehnsucht danach,
sich selbst
als Teil naturgegebener Rhythmen
wahrzunehmen.
Zu entschleunigen
und im natürlichen Tempo zu leben.
Frei, ungestört.
Und die Sehnsucht,
dabei wieder mit sich selbst,
mit seinem Innenleben,
seiner Seele,
in Kontakt zu treten.
Sich selbst zu begegnen.
Es ist das Meer,
das dem Mann wieder zu mehr Wert verhelfen kann.
MEERwert eben.